Third Place – ein Mythos oder der Vorläufer zur Coworking-Bewegung?
Pendeln – dieser Begriff löst bei vielen die Assoziation von Stress, Zeitdruck und verlorener Lebenszeit aus. Vieles wird „on the run“ erledigt und ständiger Begleiter ist der Kaffee „to go“. Unterwegssein ist heutzutage ein großer Teil unseres Lebens. Auf der anderen Seite hat der Trend immer digitaler zu werden Auswirkungen auf unser Leben und vor allem unser Arbeiten.
Unsere Wohnungen werden immer öfter zum Arbeitsplatz und dieser ist eben mehr als nur der Ort, um der beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Wichtige soziale Funktionen wie der Austausch mit Kolleg*innen an der Kaffeemaschine, gehen dabei verloren.
Beispielhaft für die Vermischung der verschiedenen Welten sind die sogenannten Dritten Orte, auch Third Places genannt. Diese Wohnzimmerartige Cafés bringen Arbeitsplatz, den sozialen Austausch und die Arbeit an gemeinsamen Projekten, zusammen.
Woher kommt der Begriff „Third Places“ eigentlich?
Bereits 1989 kategorisierte der Soziologe Ray Oldenburg unsere Lebensräume in einen ersten, zweiten und dritten Ort:
- First Place: das Zuhause, das Private, in dem jeder sein kann wie er*sie ist.
- Second Place : Der Arbeitsplatz, die Öffentlichkeit, in der jeder entsprechend der gesellschaftlichen Erwartung funktioniert.
- Der Third Place – liegt dazwischen – nicht einsam wie in den eigenen vier Wänden, aber mit weniger Zwang und Alltagstrott durch die bunte Mischung. Hier gibt es die Chance, ausgetretene Pfade zu verlassen, sich wohlzufühlen und neue Lösungen zu entwickeln.
Ray Oldenburghat dadurch seiner Zeit weit voraus dem Coworking Space eine Zuordnung gegeben, noch vor dem Zeitalter der Laptops und Smartphones.
Denn genau darum geht es beim Coworking: Begegnungen. Hier gibt es die Möglichkeit zu kommunizieren, erleben, kreieren. In Ray Oldenbourg’s Buch „The Great Good Place“ argumentiert er, dritte Orte seien wichtig für die Zivilgesellschaft und die Demokratie.
Am besten wird dies durch die derzeit vielerorts beliebten Repair-Cafés und Fablabs deutlich, die ebenfalls zu den Third Places zählen, und deren Beitrag zur Zivilgesellschaft und Demokratie gemeinhin anerkannt ist.
Die Entwicklung solcher Trends bzw. Schaffung neuer Konzepte und Räume sind bisher jedoch eher im städtischen Umfeld der Metropolen zu beobachten.
Gerade im ländlichen Raum fehlt vielerorts zunehmend öffentlicher Raum der Gemeinschaft durch Schließungen von Cafés, Kneipen usw.
In diesem Raum kann aber viel entstehen, die Idee zur Schaffung eines Gemeinschaftsgartens oder der fachliche Austausch zwischen Schreiner*in und Archtiekt*in bei einem Feierabendgetränk zu einem speziellen Problem.
Zudem müssen viele Bewohner*innen des ländlichen Raums weit zu ihrem Arbeitsplatz pendeln. Ist Homeoffice möglich, sind sie oft an die eignen vier Wände gebunden, da es im ländlichen Raum (zum Glück) eben nicht an jeder Ecke einen Starbucks gibt, in dem man Kommunizieren, Erleben und Kreieren könnte.
Könnte ein Coworking Space im ländlichen Raum also nicht der perfekte Ort für Gemeinschaft sein? Er kann Berufstätigen und Studierenden einen Raum zum Arbeiten abseits der eigenen vier Wände bieten. Fehlender sozialer Austausch und Isolation im Homeoffice wäre dann kein Muss mehr. Es kann ein Ort der Gemeinschaft entstehen, an dem auch Platz ist für das Kreieren, das Schaffen neuer Projekte für die Region.
Coworking Spaces kämpfen oft gegen das Vorurteil, dass nur der oder die effektiv arbeitet, welche*r am angestammten Schreibtisch sitzt. Auch jemand, der auf einem Sofa sitzt, kann Mehrwert für ein Unternehmen schaffen – es geht hier um progressives Denken, welches von beiden Seiten erfordert wird. Wissensarbeit ist nicht an Schreibtische gebunden – sie kann auch vor der Bürotür passieren. Persönliche Vorlieben und technische Möglichkeiten sind maßgeblich dafür verantwortlich, wo effektiv gearbeitet wird.
Der Third Place ist also kein Vorläufer zum Coworking Space, sondern umschreibt viel mehr das Konzept von gemeinschaftlichen Räumen, zu denen auch der Coworking Space zu zählen ist. Beim Coworking Space steht dabei die Arbeit im Fokus, beim Repair-Café das Reparieren – gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie Menschen zusammenbringen und dort, wo Menschen zusammenkommen, entsteht auch immer viel Neues.
Ich wünsche mir, dass überall Third-Places entstehen, an denen Menschen sich begegnen.